Ersetzen kostenfreie Online-Rechner tatsächlich ein professionelles Verkehrswertgutachten?
„Kostenlose Immobilienbewertung“ – „Gratis Immobilienwertrechner“ – „Immobilienwert ermitteln in nur wenigen Minuten“
Sind Ihnen diese Zeilen auch schon im Web oder auf sozialen Netzwerken begegnet?
Man muss keine Dokumente hervorkramen, allenfalls Baujahr, Grundstücksgröße oder Wohnfläche zur Hand haben und Zack; Sie bekommen die Zahl, die Sie wollen. Oft ist es auch keine präzise Zahl, sondern eine Wertspanne, in der man seine Immobilie je nach Ausstattungsstandard eher im unteren oder oberen Bereich selbst einordnen kann.
Das klingt, zugegeben, irgendwie verlockend und dann ist das Ganze auch noch gratis?
Ich möchte gern transparent machen, wie es sein kann, dass diese Angebote kostenlos sind und was die Strategie dahinter ist. Auch sollten wir gemeinsam einen Blick darauf werfen, was man von diesen Angeboten im Hinblick auf ihre Präzision halten darf. Das, was Sie bei solchen Angeboten wirklich gratis dazu bekommen, sind unerwünschte Anrufe von Maklern, die Ihre Daten bei dem jeweiligen Anbieter erstanden haben. Sie sind zu einem Lead geworden. Ein Produkt, das zur Gewinnmaximierung weiterverkauft wird.
Diese Angebote sind nicht kostenlos, denn Sie bezahlen mit Ihren Daten,
insbesondere mit E-Mail-Adresse und Handynummer
Für den Makler besteht der Charme des Datenkaufs darin, dass er den Kontakt zu einem potentiellen Kunden nicht selbst generieren muss. Demgegenüber aber steht der springende Punkt: Die meist mangelnde Motivation des potentiellen Kunden.
Die Basis für die Qualität der verkauften Daten ist der jeweilige Grund aus dem die Angaben gemacht wurden. In den seltensten Fällen hat der Nutzer des Online Rechners wirkliches Interesse an dem, was der neue Besitzer seiner Daten ihm am Ende verkaufen möchte.
Aus diesem Grund sollten Immobilienunternehmer genauso wenig darauf hereinfallen, vermeintlich qualitativ hochwertige Leads zu kaufen, wie auch Sie Ihre Daten nicht an einen Leadmagneten verschenken sollten.
Wie funktioniert das Ganze denn eigentlich genau?
Dass Ihre persönlichen Angaben erforderlich sind, erfahren Sie selbstverständlich erst, wenn Sie eine Reihe einfacher Fragen beantwortet haben und sich Ihrem Bewertungsergebnis nähern. Oft ist ein Balken hinterlegt, der sich mit der Beantwortung jeder weiteren Frage am oberen Bildschirmrand verlängert oder Sie können einsehen, wie viele Schritte es noch bis zum Ziel sind bzw. wie viel Prozent der Fragen bereits geschafft sind.
So kurz vorm Ziel hört man schließlich nicht auf – und überhaupt – kostet es ja nichts.
Der Anwender ist in Erwartung des Ergebnisses eher bereit, beim letzten Schritt die Datenschutzerklärung zu bestätigen, die dem Anbieter erlaubt, Ihre Daten an teilweise bis zu fünf unterschiedliche Makler weiterzuverkaufen, damit diese Sie dann in Grund und Boden akquirieren können.
Nun sehen wir uns einmal an, was Sie dafür erhalten, dass Sie in den kommenden Werktagen die Gelegenheit bekommen, eine Reihe neuer Menschen kennenlernen zu dürfen.
Ihr Bewertungsergebnis.
Sie haben in aller Regel bis zu Ihrem Ergebnis im Schnitt fünf bis sieben Fragen beantwortet, die so oder so ähnlich gestellt und mit Auswahlmöglichkeiten als Antwortoption versehen werden.
- Was für eine Immobilie haben Sie?
- Wie viel Wohnfläche haben Sie?
- Wie groß ist die Grundstücksfläche?
- Wann wurde das Haus gebaut?
- Sind Sie der Eigentümer?
Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Diese Angaben reichen für eine seriöse Ermittlung eines Immobilienwertes absolut nicht aus.
Der ein oder andere Anbieter mag noch die Ausstattung oder die Zimmeranzahl abfragen, aber auch hier haben Sie vorgegebene Antwortmöglichkeiten, die Sie anklicken müssen und eine größere Differenzierung als renovierungsbedürftig, einfach oder gehoben ist nicht möglich.
Der Rechner fragt nicht, ob Sie ein Wärmeverbundsystem nachgerüstet haben oder lediglich Bimsstein mit Außenputz vorhanden ist. Er schaut nicht nach, ob alle Gebäudeteile vernünftig genehmigt wurden. Ob es Bauschäden, Schimmel, Salzausblühungen, Holzschädlinge oder Bleirohre gibt. Es werden keine Rechte und Lasten bewertet, keine Überbauung berücksichtigt und ob die Planunterlagen mit der Bauausführung übereinstimmen, findet keine Beachtung. Diese Vorgehensweise entspricht nicht dem Standard, den die Wertermittlungsverordnung vorgibt.
Allenfalls die Bodenwerte werden der Lage angepasst, aber das darauf erbaute Haus könnte in der Frankfurter City oder in Mecklenburg-Vorpommern auf dem platten Land stehen, es macht für den Rechner keinen Unterschied. Ja nicht einmal ein überdachtes 25m Sportbecken im Garten vermag bei diesen Rechnern auch nur eine Stellschraube zu bewegen, weil es nicht erfasst werden kann.
Mein Fazit: Wenn es einfach eine Spielerei sein soll und Sie nichts dagegen haben, dass der Anbieter sich an der Weitergabe Ihrer Daten bereichert, dann testen Sie es ruhig aus.
Wenn Sie aber ernsthaft erwägen eine Immobilie zu kaufen oder zu verkaufen, wenn Sie den Immobilienwert für eine Erbauseinandersetzung oder im Rahmen der Ermittlung des Zugewinnausgleichs benötigen, wenn Sie den Wert dem Finanzamt gegenüber plausibel machen müssen oder es um eine Schenkung geht – tun Sie sich den Gefallen und engagieren Sie einen kompetenten Immobiliensachverständigen, der Sie in Ihrer individuellen Situation in Ihrem Sinne berät. Sie erhalten so ein transparentes und gut verständliches Immobiliengutachten mit vielen Marktdaten, indem sämtliche wertrelevanten Aspekte sauber behandelt wurden.
Es gibt natürlich sehr viele fähige Immobilienmakler, die ein großartiges Netzwerk haben und für Sie bei dem Verkauf Ihrer Immobilie eine große Bereicherung sein können. Kompetente Makler können im Rahmen einer Marktwertermittlung den Verkaufswert Ihrer Immobilie gut berechnen; es muss selbstverständlich nicht immer direkt ein Gutachten sein.
Bei der Auswahl des Maklers, der für Sie Ihre größten Vermögenswerte verkauft, empfehle ich Ihnen aber Marktrecherche zu betreiben oder auch Empfehlungen einzuholen. Makler sind nicht austauschbar und es gibt leider Dienstleister am Markt, die es Ihren kompetenten Kollegen sehr schwer machen und die Reputation der Branche negativ beeinflussen – unter anderem mit dem Kauf von Daten für ihre Akquise, die vom Kunden nicht gewünscht ist.
Abschließend lässt sich zum Thema Online-Immobilienbewertungen sagen:
Im Leben ist zwar vieles umsonst, aber die wenigsten Dinge sind gratis.
Das gilt auch für eine professionelle Dienstleistung, für die viel Erfahrung und fundiertes Fachwissen gefordert ist.